Als Traum und Herz ins Stolpern gerieten
- Tanja Schönenborn

- vor 3 Tagen
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Es begann mit Herzklopfen. Nicht dem vom Laufen – sondern dem vom Träumen. Wochenlang spielte ich mit dem Gedanken, mich für mein erstes Etappenrennen anzumelden. Ganz alleine. Ohne vertraute Gesichter. Nur ich. Naja… nicht ganz. Es wären ja schließlich noch 19 andere Läuferinnen und Läufer und Bruno dabei – mein liebster Arzt auf der ganzen Welt, der mich 2021 durch die 1000 km der Namib begleitet hat, und ohne den ich das Rennen damals vielleicht nicht beendet hätte.
Trotzdem: Die Nervosität war echt. Aufregung und Zweifel tanzten jeden Abend in meinem Kopf, bis ich endlich auf „Anmelden“ klickte. Große Ziele, große Träume, großes Herzklopfen und auch Zweifel.
Zwischen Leben, Training und Chaos
Die Vorbereitung? Sagen wir mal so: Wenn das Leben ein eigenes Trainingsprogramm schreibt, hat es Humor.Viel Arbeit, Ella, Privatleben, täglich nervig lange Autofahrten – und irgendwo dazwischen sollte auch noch mein gesteigertes Trainingspensum Platz finden und packen! Um fünf aus dem Bett, abends nach der Arbeit noch eine Runde drehen. Ich fühlte mich wie ein Jongleur mit zu vielen Bällen. Nicht perfekt vorbereitet – aber bereit für ein Abenteuer und vor allem eins: urlaubsreif!

Und dann kam der Körper dazwischen
Als wäre das alles nicht genug, meldete sich ein alter Bekannter zurück: der Fersensporn. Mein unsympathischster Trainingspartner. Aber gut, dachte ich, den kenn ich, den besieg ich.
Doch der medizinische Pflicht-Check fürs Rennen sollte mich ausbremsen – und zwar richtig. Das Ruhe-EKG zeigte ein Couplet. Zwei Extraschläge hintereinander. „Wird schon nichts sein“, dachte ich mir. Meine Ärztin ermahnte mich zur Sportpause.
Eine Woche später raste mein Herz jedoch völlig aus dem Nichts. Vor allem abends. Ich bekam Panik. Angst. Die Frage, die sich jeder Läuferin fürchtet zu stellen: „Darf ich überhaupt an meinem Rennen starten? Und wenn nein – was wird dann aus meinem Traum? Was ist mit mir los?“
Krankenhausgänge und Gedankenkarussell
Ich bekam einen schnellen Termin im Krankenhaus. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich diesen auch nur bekam, weil ich jemanden kenne, der jemanden kennt, der jemanden im Krankenhaus kennt. Dort zu sitzen, zwischen all den wirklich Kranken, fühlte sich surreal an. Ich, die Ultraläuferin. Stark, belastbar, stur wie ein Maultier. Und gleichzeitig verletzlich wie nie.

Die Untersuchungen zogen sich: Ultraschall, CT, Langzeit-EKG.Das Ergebnis schlug ein wie ein Hammer: 10.000 Extrasystolen.
Zum Vergleich: 50 sind normal.
10.000.
Es fühlte sich an, als würde mein Herz mein Vertrauen kündigen.
Das Herz-MRT brachte schließlich die Entwarnung: keine Herzmuskelentzündung. Ein Moment, der mich zum Weinen brachte – Erleichterung und Traurigkeit gleichzeitig. Denn während irgendwo in Afrika das Rennen startete, saß ich in Deutschland auf der Couch. Grau. Kalt. Ratlos. Sehnsüchtig bis in die Zehenspitzen.
Ich sagte dem Veranstalter natürlich ab. Den Sponsoren gab ich ebenfalls die Info.Und ja… es tat weh. Sehr. Aber es war richtig.
Zwischen Frust, Stillstand und Ella
Vier Wochen ohne Sport sind für manche „ganz normal“. Für mich war es eine kleine Existenzkrise. Vor allem, weil ich nicht wusste, wie es weitergehen wird.Ich habe viel geschlafen. Viel TV geschaut. War bockig mit der Welt und, ehrlich gesagt, neidisch auf jede Läuferin und jeden Läufer, die ich draußen gesehen habe.
Ella hingegen fand die neue Version von mir super – mehr Zeit, mehr Kuscheln, mehr Ruhe. Nur mir selbst fiel das schwer.
Der Moment, der alles verändert
Letzte Woche dann der Termin beim Kardiologen. Ich war vorbereitet auf ein weiteres „Wir müssen noch warten. Ich kann Ihnen nichts genaues sagen“.Stattdessen sagte er mit ruhiger Stimme:„Sie dürfen laufen.“
Ich fragte sicher drei Mal nach.Doch es blieb dabei. Ich durfte. Darauf erstmal einen Sekt.

Mein Kopf war tagelang leer, ich wusste nicht, ob ich lachen, weinen oder einfach nur losrennen sollte.
Und dann? Natürlich. Erkältung.Danke, Universum. 😅
Und jetzt?
Jetzt sitze ich hier, huste noch ein bisschen – aber ich bin bereit. Motiviert. Voller Lust, wieder loszulegen. Schritt für Schritt. Ohne Druck, aber mit ganz viel Herz.
Denn das habe ich gelernt:Pläne können zerbrechen. Körper können streiken. Träume können sich verschieben.Aber sie verschwinden nicht.
Manchmal ändern sie nur die Reihenfolge.
Ich freue mich auf mein Comeback. Auf das Herzklopfen, das vom Laufen kommt. Auf das Lächeln, das nach den ersten Kilometern zurückkehrt. Und auf die Freiheit, wieder auf meine Schritte zu hören.
Das nächste Kapitel beginnt jetzt – langsam, achtsam, aber mit richtig viel Vorfreude.






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